Rezension: „Swing Time“ von Zadie Smith

„Die Frage ist vielmehr, zu was für Taten Liebe berechtigt.“ – Zadie Smith‘ jüngster Roman bewegt sich zwischen Tanzträumen und Wirklichkeit

Die von Konkurrenz geprägte Mädchen- und Frauenfreundschaft ist spätestens seit Elena Ferrantes „Neapolitanischer Saga“ ein ausgesprochen beliebter Topos in der zeitgenössischen Literatur. Zadie Smith variiert das Thema in ihrem jüngsten Roman „Swing Time“ ebenfalls. Die namenlose Erzählerin und ihre beste Freundin Tracy tanzen leidenschaftlich gerne. In Willesden, einem Arbeiterviertel in Nordlondon wachsen beide in ärmlichen Verhältnissen auf. Tracys Vater ist schwarz, ihre Mutter weiß, bei der Erzählerin ist es genau andersrum. Doch während Tracys Vater überwiegend abwesend und ihre Mutter alleinerziehend ist, hat die Erzählerin einen zwar ehrgeizlosen, aber liebenden Vater und eine überaus ehrgeizige Mutter, die vom Aufstieg durch Bildung träumt und hart dafür arbeitet. Tracy ist die talentiertere Tänzerin. Sie verfügt über eine besondere Körperlichkeit und eine natürliche Begabung, während die Erzählerin sich schwertut und Plattfüße hat. Bereits als Schülerinnen entfernen sich die beiden Mädchen voneinander: Tracy schlägt den Weg einer professionellen Tänzerin und Musicaldarstellerin ein, auf die eine große Karriere wartet, die Erzählerin wird durch den Ehrgeiz ihrer Mutter getrieben und entschließt sich zu einem Studium der Medienwissenschaften. Zunächst gelingt es Tracy auch tatsächlich aufzusteigen, doch die Karriereleiter ist kurz. Über Chor- und Nebenrollen kommt sie nie hinaus. Und auch die Erzählerin versandet als Sekretärin der gealterten Pop-Ikone Aimee, die stark an Madonna erinnert. Die drei Kinder, die Tracy von drei verschiedenen Vätern bekommt, besiegeln ihr Schicksal als Tänzerin. Es ist ein kontinuierlicher Abstieg, der schließlich in der Sozialhilfeexistenz endet, von der sie sich eigentlich befreien wollte.
Doch nicht nur das Thema „Freundschaft“ steht im Mittelpunkt. Es geht auch um die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität als Kind einer schwarzen Mutter. Allerdings stellt sich die Frage, wie „schwarz“ jemand ist, der in London den weißen Blick gelernt hat. Als Sekretärin der Popsängerin muss die Erzählerin unter anderem ein Entwicklungshilfeprojekt begleiten, das Aimee in einem Dorf in Gambia initiiert hat. Doch die Entwicklungshilfe – der Bau einer Schule für Mädchen – geht nicht auf. Das Dorf wird geächtet und nicht mehr weiter von staatlicher Seite finanziert, die Laptops und Tablets, die Aimee für die Schülerinnen besorgt, verschwinden, die Jungen des Dorfes fühlen sich benachteiligt. Das ganze Dorf erlebt einen Niedergang durch die falsch initiierte Aufbauarbeit. Wieder einmal bewahrheitet sich der Spruch: Gut gemeint ist nicht unbedingt gut. Auch die Liebesbeziehung, die Aimee mit Lamin eingeht sowie die Adoption eines westafrikanischen Kindes stimmen nachdenklich: „Die Frage ist vielmehr, zu was für Taten Liebe berechtigt“, (585) fasst die Erzählerin das Dilemma zusammen.
Zadie Smith erzählt eine Geschichte von Liebe und Ausbeutung, von Kränkungen und vom weißen Blick auf Afrika.
Smith‘ Stil wirkt stellenweise allzu ausführlich. Dass die Kapitel in der Zeit und der Örtlichkeit (Jugendzeit und frühe Erwachsenenjahre in London und die Aufenthalte in Gambia) wechseln, hält die Geschichte am Laufen. Es ist das Hin- und Herschwingen zwischen zwei Welten, die hybride Identität, die das Buch so spannend macht. Angesichts dieses Spannungsfeldes, in dem „Swing Time“ sich bewegt, kann man über
einige Längen hinwegsehen.


Zadie Smith: Swing Time
erschienen am 17. August 2017
www.kiwi-verlag.de

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