Martin R. Dean: Warum wir zusammen sind

„Man muss auf das Gleichgewicht achten“ – Martin Dean erzählt von den Unwägbarkeiten des Beziehungslebens

In einer Zeit, in der in Deutschland über ein Drittel der Ehen geschieden werden, gibt es eine Sehnsucht nach Geschichten von gelingenden Langzeitbeziehungen. Über sozialen Netzwerke werden immer wieder Videos verbreitet, in denen Paare, die seit mehreren Jahrzehnten zusammen sind, vom Geheimnis ihres langjährigen Glücks berichten.
Der Schweizer Schriftsteller Martin Dean erzählt in „Warum wir zusammen sind“ gleich von mehreren Paaren, die ganz unterschiedliche Strategien haben, um ihre Beziehungen zu erhalten. Zumindest versuchen sie es. Im Mittelpunkt stehen die Übersetzerin Irma und ihr Mann Marc, ein Architekt aus dem Tessin. Auch ihr gemeinsamer Sohn Matti spielt eine zentrale Rolle. Der 18-Jährige hat ein Verhältnis mit Irmas Freundin Evelyne und wird deshalb von seiner Mutter aufs Internat geschickt. Und dann gibt es da noch mehrere befreundete Paare. Bea, die bei einem Lokalsender arbeitet und Finn, der freie Musikjournalist, der seit Jahren an einer Dylan-Biografie schreibt – die beiden streiten ständig und es kommt sogar zu gewaltsamen Übergriffen. Die Therapeutin Alice und der Medientheoretiker Fred arbeiten auch ständig an sich. Die Künstlerin Annette ist mit dem reichen Anatol zusammen, der Marc das Geheimnis ihrer Ehe folgendermaßen erklärt: „Unser Ehebund beruht auf einem komplexen Vertragswerk, wie die EU auf den Römischen Verträgen. Unser Ehevertrag umfasst einen Vermögensvertrag, einen Arbeitsvertrag, einen Freizeitvertrag und einen Ferienvertrag. Weißt du, wir sind uns nicht so nahe wie du und Irma. Wir haben uns gesagt, wenn das Wesentliche vertraglich geregelt ist, läuft es besser.“ (125)
Der Bioingenieur Moritz und die ehemalige Sekretärin Mila verbindet das gemeinsame Engagement für die Umwelt. Sie ziehen sich in den Wald zurück, wo sie als Selbstversorger ein Stück Land bewirtschaften.
Der Chefarzt in der Gastroenterologie Axel, ist mit der Afroamerikanerin Ona, einer Anästhesistin, zusammen. Von ihnen heißt es: „Beide betrieben die Ehe wie eine Firma, die an die Börse will.“ (160) Diese Beziehung ist besonders aufreibend, denn Axel, der nach Affären süchtig ist und für sich das Konzept der Polyamorie entdeckt, leidet darunter, dass auch die ständig trainierende Ona sich schließlich einen Liebhaber nimmt. Beide ertragen die Situation kaum – Ona wird sogar versuchen, sich das Leben zu nehmen – aber eine andere Strategie kennen sie nicht. Es ist eine beständige Konkurrenz, bei der beide versuchen, mithalten zu können. Und während Ona Irma erklärt: „Es ist Arbeit, Irma, verdammt harte Arbeit. Aber dafür wirst du reich belohnt“ (132), meint Axel Marc gegenüber: „Man muss auf das Gleichgewicht achten“ (134).
Zwischen Marc und Irma laufen andere Prozesse ab. Es kommt zu einer stetigen Entfremdung. Irma zieht aus dem Schlafzimmer aus und lässt sich in ihrem Arbeitszimmer nieder, wo sie an der Übersetzung eines pornografischen Romans von Philip Dupral arbeitet. Während ihre Arbeit also um sexuelle Handlungen in sämtlichen Facetten kreist, ist es um ihr eigenes Liebesleben nicht so gut bestellt. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit Marc, der auch von seiner Arbeit frustriert ist. Als sie erfährt, dass Matti ein Verhältnis mit Evelyne pflegt, fühlt sie sich von Marc im Stich gelassen, denn er äußert sich dazu nicht. Der Grund dafür ist, dass er selbst mit Evelyne geschlafen hat…
Martin Dean erzählt sprachlich und psychologisch brillant vom Beziehungsleben wohlhabender Akademiker in den mittleren Jahren. „Warum wir zusammen sind“ ist ein spannendes und kluges Buch, das die Abgründe des Beziehungslebens auf eindrucksvolle Weise schildert.

Martin R. Dean: Warum wir zusammen sind
erschienen am 1. März 2019
www.jungundjung.de

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